Das Eisbärenjunge ist ein Mädchen
Nürnberg (ddp-bay). Eine Wiederholung der «doofen Knut-Manie» wollte Nürnbergs Tiergarten unbedingt verhindern. Doch nach der Rettung des von der Mutter Vera verstoßenen Eisbärenbabys ist die Euphorie in Nürnberg nicht mehr zu bremsen. Selbst Zoo-Vizechef Helmut Mägdefrau musste grinsen, als er am Mittwoch auf einer live im Fernsehen übertragenen Pressekonferenz verkündete: «Eine Pflegerin hat die Genitalien ertastet. Das Junge ist weiblich!»
Nicht nur in tierpflegerischen Belangen dürften die Nürnberger Verantwortlichen nun um Rat im Berliner Zoo nachsuchen. Dort sorgte vor einem Jahr das Eisbärenbaby Knut für Furore. Im Nürnberger Rathaus bereitet man sich auf ein tägliches Bulletin zum Befinden des noch namenlosen Bären vor. Bürgermeister Horst Förther sortiert auf seinem Schreibtisch bereits die Namensvorschläge, will aber einen Wettbewerb veranstalten.
Und der Tiergarten plant, zusätzliche Kassen- und Toilettenhäuschen aufzustellen, um dem zu erwartenden Ansturm gerecht zu werden. Zoo-Direktor Dag Encke sagte: «Unser positives Krisenszenario sieht so aus: Osterferien und der erste öffentliche Auftritt des Bären fallen zusammen.»
Doch vorerst muss sich die Öffentlichkeit mit einigen Bildern des an einer Flasche nuckelnden oder in eine Wolldecke gehüllten Eisbärenbabys begnügen. Erst nach vier Monaten sei die kritische Phase überwunden, sagte Mägdefrau. Und auch danach gilt in Nürnberg die Devise: «Wir wollen ihn zeigen, unseren kleinen Eisbären, aber wir werden ihn nicht ausstellen», wie Förther betonte.
Auch in der Aufzucht soll es keine One-Man-Show wie in Berlin geben. «Die Belastung für einen Tierpfleger allein wäre einfach zu hoch», sagte Encke. Nachdem Vera ihr Junges am Dienstag nervös aus der Höhle geschleppt und im Freigehege mehrere Male aus einem Meter Höhe hatte fallenlassen, entschlossen sich die Zoologen einzugreifen. Sie trennten «schweren Herzens» Mutter und Kind und gaben nach vier Wochen Widerstand gegen die Handaufzucht doch der Nuckelflasche den Vorzug. Es wurde ein 24-Stunden-Betreuungsprogramm organisiert. «Der Bär soll immer spüren, dass jemand in der Nähe ist», sagte Encke.
Die Entscheidung, so spät einzugreifen, verteidigte der Tiergarten erneut. Für das Eisbärenbaby sei es eine positive Erfahrung, die erste Zeit mit der Mutter verbracht zu haben. Weil diese sich aber stundenweise auch immer wieder im Gehege herumgetrieben habe, sei er an Phasen des Alleinseins gewöhnt. Dennoch sucht der Zoo nun über das Europäische Erhaltungszuchtprogramm ein zweites Eisbärenwaisenkind, das dem Nürnberger Mädchen Gesellschaft leisten könnte. «Ein Braunbär tut´s auch», merkte Mägdefrau an.
Vom Scheinwerferlicht der TV-Kameras bekommt der Bär vorerst nichts mit. Stattdessen aalt er sich in einer «Art Bettchen» unter einer Infrarotlampe. Alle vier Stunden reicht ihm ein Team von vier Tierpflegern die Flasche mit 70 bis 80 Milliliter Kunstmilch. Encke sagte: «Die ist ideal für die Welpenaufzucht, weil da 40 Prozent Rohfett drin sind.» Das Baby trinke und schlafe gut - und auch der Kotabsatz sei normal.
Mutter Vera hat den Kindesentzug nach anfänglichem Protest offenbar gut überstanden. Inzwischen gehe es ihr mehr darum, schnell wieder mit ihrer Artgenossin Vilma zusammenzukommen, die am Montag ihre beiden Babys aufgefressen hatte. Offenbar litten sie an einer Infektion. Was Veras Rückzug aus der Wurfhöhle auslöste, ist weiter unklar. Der Zoo revidierte inzwischen seinen Vorwurf, wonach ein Kamerateam auf die Höhle gestiegen sei und damit die Eisbärenmutter nervös gemacht habe. «Wir wissen nicht, warum sie ihr Versteck auf einmal so konsequent ablehnte», sagte Encke.
(ddp)
http://de.news.yahoo.com/ddp/20080109/t ... 21a_1.html
Tierschutzbund fordert Verzicht auf Nachzucht von Eisbären
ddp - Mittwoch, 9. Januar, 10:41 Uhr
Bonn (ddp-bay). Nach Ansicht des Deutschen Tierschutzbunds muss der Nürnberger Tiergarten künftig auf die Nachzucht von Eisbären verzichten. Die zwei von ihrer Mutter aufgefressenen Babys seien «Opfer eines verantwortungslosen Verhaltens» der Zoo-Leitung, sagte Geschäftsführer Thomas Schröder am Mittwoch in Bonn. Es sei nur konsequent, dass sich der Tiergarten des noch lebenden Jungtiers annehme, fügte er hinzu. Doch das ändere nichts daran, dass der Zoo mit der Grundsatzentscheidung, Eisbären zu halten und zu züchten, einen «Irrweg» eingeschlagen habe.
«Die Konsequenz muss lauten: Eisbären in Gefangenschaftshaltung - nirgendwo!», forderte Schröder. Das «Drama von Nürnberg» sei ein weiterer Beleg dafür, dass auf Haltung und Nachzucht von Eisbären in Gefangenschaft verzichtet werden müsse. Nach Angaben der Tierschützer haben Eisbären in der freien Wildbahn einen Aktionsradius von vielen Kilometern, die Größe des Käfigs im Zoo liege hingegen bei wenigen Quadratmetern. Die Tiere litten oftmals unter Langeweile und entwickelten Verhaltensstörungen.
Quelle:
http://de.news.yahoo.com/ddp/20080109/t ... 21a_1.html